Donnerstag, 28. April 2011

Der rosa Elefant - Humor im Porzellanladen

Humor ist bunt heißt es im Editorial dieses Blogs. Manchmal ist er aber auch rosa oder knallpink. Die Frau im rosa Jogginganzug mit der ebenso kräftig schweinchenfarbigen, überdimensionalen Blume auf den blonden Locken, ist nicht jedermanns Sache. Meine zumindest nicht, die von 3.000 anderen schon. 

Ein Krönchen, zwei Krönchen, drei Krönchen, eine vollschlanke Frau mittleren Alters im pinken Jogginganzug, eine zweite, eine ganze Schaar. Ein Blick um mich herum ergibt: Ich bin umzingelt von eingefleischten Cindy-aus-Marzahn-Enthusiasten, die den Stil ihres Idols adaptiert haben, wenn auch hoffentlich nur für diesen Abend. Mein erster Gedanke: Ich geh hier nicht rein. Die erste Frage dieses Abends galt gleich dem Türsteher: „Kann ich dann auch wieder raus?“.  Eine Flucht war zum Glück nicht nötig. Ich hatte einen Weg gefunden, wie ich doch noch zu meinem Spaß kam. Witziger als die Komik von Cindy aus Marzahn waren ihre Fans. Diese Menschen, die wie 10jährige im Sexualkundeunterricht bei der bloßen Erwähnung von Genitalteilen laut auflachten. Humor kann so einfach sein, wenn man die Codewörter kennt.

Meine Theorie zur „Genitalcomik“: Entweder sie sind alle im richtigen Leben völlig verstockte Gemüter oder sie hatten noch nie Sex. Oder beides. Cindy löst das Rätsel selbst: „Wer von euch hatte schon mal Sex?“ - Ein paar einsame Hände melden sich. Also doch!  Meine ganz ideologische, nach oberflächlichen Kriterien strukturierte soziologische Kategorisierung bewahrheitete sich. Nun gings weiter mit Witzen über Sex, gescheiterter Partner- und Arbeitssuche, Hartz IV (oder Stütze wie es Cindy liebevoll um umschreibt) und Gewichtsproblemen. Hier spricht eine Frau die 1,90 m groß ist und geschätzte 200 Kilo wiegt. Aber ob alle im Saal den Code von Cindys Witzen verstanden haben wagte ich erstmals zu bezweifeln als ich den Kommentar meiner Hinterfrau hörte zu Cindys Ernährungsumstellung (im Kühlschrank Pudding zu Pudding…). „So blöd kann man doch gar nicht sein, oder?“ zweifelte die Frau hinter mir mit ernster Miene am Intelligenzquotienten ihres Idols. Während ich an ihrem zweifle, denn den Kalauer aus dem Repertoire der Prekariats-Comedy-Queen hab sogar ich verstanden. Mein Vordermann beginnt derweil beim Wort Fotze fast den Stuhl zu vergewaltigen. Ein paar Reihen dahinter hört man alle zwei Minuten ein „Cool“. Eine andere komplett in Cindy-Kluft gehüllte Frau wartete bis kurz vor Schluss noch auf den Höhepunkt, den sie mit dem ständig wiederholten Satz „Jetzt geht´s los“ ankündigte. Am wunderlichsten aber fand ich den Ausruf „Ach, wie süß!“ als Cindy Schokokekse aus dem Publikum mampfte. Wir sprechen hier über eine Frau die 1,90 groß ist und wie gesagt, so viel wiegt wie ein kleiner Elefant. Von daher weder süß ist, noch muss sie gefüttert werden. 

An die einzelnen Witze kann ich mich wegen der vielen Ablenkungen um mich herum nicht mehr erinnern, vermutlich nicht nur deshalb. Cindys Humor wirkt eher plakativ, wenig tiefsinnig. Beim Anblick des Merchandisings um die Comikerin wurde mir schon auf dem Parkplatz vor der Veranstaltungsarena ein wenig übel. Mit bewusster Abwehrhaltung und zu verkopfter Analyse scheiterte Cindys Humor an mir kläglich. Jede Reaktion der Fans um mich herum bestätigte meine Haltung und machte mich noch sensibler für meine eigenen Geschmacksgrenzen. Ich wollte die Frau einfach nicht gut finden. Ich wollte ihren Witze-Code nicht in meinem Unterbewusstsein erkennen. So war sie der sprichwörtliche Elefant in meinem feinen Porzellanladen, der mir fast drei Stunden gehörig auf den Nerven herumtrampelte.


Aber ganz sicher halten mich die meisten der Cindy-Fans für verrückt, wenn sie meine Titanic-Sammlung durchblättern. Dabei wirken die Witze der Titanic oft mindestens genauso plakativ, am wirkungsvollsten nur beim Ausschalten jeglicher Geschmacksgrenzen. Humor kann so einfach sein, wenn man die Codewörter versteht. So ganz unterbewusst und schämen muss sich dafür niemand. *michgeradeüberbriefeandieleserzutodelachend*