Freitag, 31. Oktober 2014

Lebenskünstler - Der jordanische Sancho

Lange versprochen - Die Lebenskünstler. Sie begegnen einem überall, wenn man nur die Augen aufmacht. Den Anfang macht ein Vertreter aus einem Land, das im Moment ziemlich zwischen den Fronten steht. Seine Lebenskünstler-Attitüde wird ihn auch über die größten Schwierigkeiten helfen, die seinem Land noch bevorstehen.

Wir nannten ihn den jordanischen Sancho, denn es gibt auch einen Pancho. Wobei die Rolle der Frösche auf die beiden nicht ganz passt. Dumm und klugschwätzerisch war keiner von beiden. Unser Sancho, hat nicht viel gesprochen. Das Reden überließ er lieber Pancho.

Eigentlich wohnt er  am Roten Meer in der Stadt Aqaba, nur wenige Kilometer sind es nach Israel und Saudi Arabien. Die Stadt ist mit Ausnahme einiger Luxus-Hotels recht grau und hat wirtschaftlich schon bessere Zeiten gesehen. Die Spannungen im Nahen Osten machen dem ganzen Land zu schaffen und Aquaba ist eingekesselt von Krisenherden. Sancho hat diese Krisen zu spüren bekommen: Sei Jahren ist er arbeitslos. Wohnen in der Stadt damit zu teuer, wieso nicht das Beste draus machen und direkt an den Strand ziehen. Am "japonese garden" hat er sein Zelt aufgeschlagen. Er ist eines der schönsten Korallenriffe des Roten Meers und dabei noch vergleichsweise unbekannt.

Niemanden hat es gestört, als er dort seinen Verschlag gezimmert hat aus Planen mit Supermarktwerbung, Treibholzresten, Plastikstühlen und natürlich einem Gaskocher für den unverzichtbaren Minztee und einer Wasserpfeife. Hier hat er auch seinen Freund kennengelernt: "Pancho", ein junger Mitarbeiter im jordanischen Zollamt, der sich von seiner Schichtarbeit bei ihm am Strand erholt. Drei Tage am Stück Schicht und drei Tage am Stück, so geht das bei Pancho. So lässt es sich leben.
Sanchos höchste Sorge ist es den Touristen, die er am Strand mit seinen wenigen Englischkenntnissen aufgegabelt hat immer Tee oder Arak nachzuschenken. Dann genießt er einfach den Flair einer "besseren Welt" und von ihnen bewundert zu werden für seine Ruhe und Gelassenheit. Als würde das allein genügen, damit es ihm gut geht. So sitzt er da bis spät in die Nacht im Kreis der Freunde, Sancho, Madjeba aus Israel und einem irakischen Flüchtling, und der Fremden - kocht Tee und raucht Zigaretten oder Wasserpfeife. Sein Badezimmer sind die strandeigenen Sanitäranlagen und das Bett, das ist hinter einen Plane direkt auf dem Sand des Strandes.

All sein Hab und Gut findet auf acht Quadratmetern Platz. Mehr braucht es nicht zum Leben. Abends hört man öfter Detonationen von der saudi-arabischen Militärsperrzone. Sancho bringt das nicht aus der Ruhe. Er lächelt besonnen blickt auf das nächtliche Meer, lauscht dem Rauschen der Wellen und der englischsprachigen Unterhaltung zwischen Pancho und den Touristen. Vielleicht versteht er etwas, manchmal fragt er sogar bei seinem Freund nach. Doch eigentlich genügt ihm die Anwesenheit der anderen, der Tee, die Wasserpfeife und das Meer.