Montag, 26. August 2013

Der Seeadler ist zurückgekehrt / König der Lüfte zieht Kreise bei Neuburg und am Altmühlsee

Zweimal hinsehen musste Siegfried Geißler, Sachgebietsleiter Amt für Naturschutz, Gartenbau und Landespflege im Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen, bis er seinen Augen traute.  Tatsächlich kreiste ein Seeadler über dem Auwald. „Zuerst dachte ich, es sei ein Habicht, dann kam er näher und ich konnte sehen, hoi, der ist aber groß. Auf den zweiten Blick habe ich dann schon erkannt, dass die Flügel anders geschwungen sind und er die Federn anders wegspreizt als seine kleineren Kollegen“, erklärt Geißler.  Fünf bis zehn Minuten kreiste der König der Lüfte dann über dem Auwald, bis ein zweiter zu ihm stieß und das Paar gemeinsam über die Donau Richtung Neuburg flog. „Das ist schon ein erhabenes Gefühl“,  bestätigt der Sachgebietsleiter. 


Bis zu 2,60 Meter Flügelspannweite kann ein Seeadler erreichen.
In den letzten fünf bis sechs Jahren wurden immer wieder Seeadler vom Bertholdsheimer Stausee die Donau hinauf bis nach Neuburg gesichtet.  Das spricht dafür, dass ein Pärchen bereits in den Auwäldern heimisch geworden ist.  „Das kann man bereits heute an dem Verhalten der Wasservögel sehen, die sind sehr viel sensibler bei Überflügen von Greifvögeln geworden,“ meint der Experte.  Brutnachweise wurden aber bislang keine gefunden. Was aber nichts heißen muss, denn der Seeadler brütet gerne in unzugänglichen, ruhigen Gebieten. „Um den Horst muss es absolut störungsfrei sein,“ so Geißler: „Schon ein Spaziergänger der 300 Meter entfernt entlang geht, kann die Adler in der Zeit der Revierbesitznahme und Brut von Januar bis März vertreiben.“
In den Auwäldern zwischen Ingolstadt und Neuburg hat ein Seeadlerpaar diesen ruhigen Ort anscheinend gefunden. Mehr als 100 Jahre war der habichtartige Greifvogel ausgestorben. Schuld daran war hauptsächlich der Mensch. Als Raubvogel verschrieen wurde er intensiv gejagt, Agrarindustrie, Flächenfraß  und Tourismus taten ihr Übriges, um die Ära des bundesdeutschen Wappentieres zu beenden. Deswegen ist es eine kleine Sensation, wenn man heute den König der Lüfte wieder über der Donau kreisen sieht. „Der Seeadler drängt nun wieder stark von Osten in unsere Region“, informiert der Sachgebietsleiter des Ingolstädter Umweltamtes, Thomas Schneider. In den östlichen Anrainerstaaten der Donau sind die Seeadler schon länger wieder heimisch. Nachdem die bis zu sieben Kilogramm schweren Vögel mit einer Flügelspannweite von bis zu 2,60 Metern Einzelgänger sind, machen sich die Jungvögel jedes Jahr auf die Suche nach einem eigenen Revier und tasten sich langsam die Donau aufwärts.
Früher wurden sie von Menschenhand vertrieben, heute werden sie mit offenen Armen empfangen. „Wir haben bereits drei Nisthilfen aufgestellt, um zu signalisieren, Seeadler, du bist willkommen, bleib doch hier“, klärt Geißler über die Bemühungen des Landkreises auf. Am Altmühlsee in Gunzenhausen und auf einem Truppenübungsplatz in der Oberpfalz sind schon seit mehreren Jahren Seeadlerpaare heimisch. Von den rund 580 Vögeln in Deutschland leben die meisten allerdings in nördlichen Gefilden. Der Greifvogel wird also auch in Zukunft eine Seltenheit bleiben an der Donau. 

Das Seeadlerpärchen aus Neuburg hat noch keinen Nachwuchs präsentiert. Der Horst des Altmühltalsee-Pärchens ist dagegen bekannt. Foto: Rainer Altenkamp

Über das Pärchen am Bertholdsheimer Stausee  weiß man bislang sehr wenig. Jungvögel wurden ebenfalls noch nicht gesichtet. In den zuständigen Ämtern ist man zuversichtlich: „Es ist nur eine Frage der Zeit, bis der Seeadler hier wieder heimisch wird. In unseren Auwäldern finden sie die Bedingungen, die sie brauchen.“
Die Bevölkerung steht dem Seeadler positiv gegenüber.  Das Image des Vogels hat sich durch seine lange Abwesenheit drastisch geändert, an eine Bejagung denkt heute niemand mehr. „Für die Fischer oder Jäger ist der Seeadler kein Problem“, laut Geißler. Der Vogel fischt nur sehr selten und auch Wasservögel, kleinere Säugetiere, Vögel oder Fische jagt er nur selten. Er ist zwar ein geschickter, aber doch recht fauler Jäger und nimmt gerne Aasreste aus Wildaufbrüchen oder von verendeten Tieren an. Normalerweise kann der Adler bis zu 40 Jahre alt werden, ein Problem verkürzt jedoch ihre Lebenszeit enorm und wieder ist der Mensch schuld daran. Bleivergiftungen sorgen für einen frühzeitigen Tod. Diese Ursache wird häufig beobachtet, denn in den Wildaufbrüchen finden sich immer wieder Spuren von Bleischrot, die der Vogel aufnimmt. 


Bleibt zu hoffen, dass dem Bertholdsheimer Seeadlerpaar dieses Schicksal erspart bleibt. Die Vögel sind treue Tiere und leben meist lebenslänglich zusammen. Ein oder mehrere Horste, die Nester mit bis zu zwei Metern Durchmesser, werden oft abwechselnd über Jahrzehnte genutzt und gegen fremde Tiere verteidigt.  Die Jungenaufzucht betreiben sie gemeinsam und brüten in der Regel 38 bis 40 Tage von Mitte Februar bis Anfang April. Die Jungenaufzucht dauert dann etwa 80 bis 90 Tage. Im Herbst müssen die Jungen das Nest der Eltern verlassen. Einzelgänger bleibt Einzelgänger und ein Hotel Mama gibt es im Hause Seeadler nicht. In den ersten drei Jahren bis zur Geschlechtsreife fliegen Tiere oft in weit entfernte Regionen zur Futtersuche. Zur Reviergründung kehren sie nicht selten auch in die Nähe des ehemaligen Aufwuchsgebiets zurück. So ist wahrscheinlich auch das Pärchen in die Region gekommen, als sie nach einem geeigneten Gebiet forschten, das weit genug von ihren entweder am Altmühlsee, in der Oberpfalz oder in Osteuropa beheimateten Eltern entfernt ist und dennoch bekannte Züge aufweist.
Wenn es den beiden in der Region gefällt, es ihnen gelingt, Nachwuchs aufzuziehen, kann es durchaus sein, dass bald mehrere Seeadler die Region durchstreifen.  Derzeit hat der Anblick eines durch die Lüfte gleitenden Vogels noch absoluten Seltenheitswert. Im Rahmen  des Projekts Danube Parcs, ein Zusammenschluss der Donauanrainerstaaten, startet das Landratsamt Neuburg-Schrobenhausen in diesem Jahr bzw. Anfang nächsten Jahres eine Winterzählung. „Wir hoffen, dass uns diese Aktion mehr Aufschlüsse über die Population in der Region gibt“, erklärt Geißler. 


Die Greifvögel sind in der Region jederzeit willkommen und ziehen, von dem Interesse an ihnen unbeeindruckt, ihre Kreise über dem Auwald.

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