Dienstag, 27. August 2013

Fledermaus ist selten geworden / Mensch ist die größte Gefahr

In der Nacht zum 24. auf 25. August fand die European Batnight statt. Das hat nichts mit Grusel- oder Actionfilmen zu tun, sondern mit Artenschutz.
Aus den Händen haben sich bei der Fledermaus Flügel entwickelt. Foto: colourbox.com

Die Fledermaus ist selten geworden in Europa und wenige Menschen kümmert das. Schuld daran sind Legenden um den nachtaktiven Zeitgenossen. „Die saugen doch Blut“, meint eine Frau sich zu erinnern an das, was sie jemals über Fledermäuse gehört hat. „Vampire tarnen sich als Fledermäuse“, weiß ein Kind zu berichten. Sagen, Legenden, aber auch Science Fiction haben der Fledermaus viele Eigenschaften auf den Leib geschrieben, die sie so nicht besitzt. Die allermeisten Menschen haben zudem noch nie eine echte Fledermaus zu Gesicht bekommen. Kein Wunder, denn die Tiere sind nachtaktiv, für das menschliche Ohr lautlos, ziemlich flinke Flugkünstler, die durch die Nacht huschen und zudem mittlerweile relativ selten. Das macht sie geheimnisumwittert und faszinierend. 


Die European Batnight will aufklären, in dem sie vielseitige Informationsveranstaltungen und Beobachtungstouren anbietet. Auch in der Region legen sich in dieser Nacht Fledermausexperten und eine interessierte Gefolgschaft auf die Lauer um die flatternden Zeitgenossen zu erspähen.
Das einzige fliegende Säugetier ist selbst für die Wissenschaft ein Faszinosum. Ihre Verständigung mittels Echoortung hält die Forscher in ihrem Bann. Von Fledermäusen fasziniert ist auch die ehrenamtliche Ingolstädter Fledermausbetreuerin Kerstin Kellerer: „Durch mein Engagement bei der Naturschutzwacht für die Stadt Ingolstadt bin ich zu den Fledermäusen gekommen, nachdem Franz Schäffler sich ins Eichstätter Gebiet zurückgezogen hat, brauchte er in Ingolstadt Hilfe.“ Vorher hat die Naturschützerin wenig mit den Tieren verbunden, doch schon bald kam die Begeisterung für die ungewöhnlichen Geschöpfe. „Ich habe eigentlich immer mehrere Findlinge im Haus. Im Laufe dieses Winters waren es etwa 120 Tiere, da wurden jeden Tag drei bis fünf Fledermäuse angeliefert“, erzählt sie. Die Nächte wurden kurz in diesem Winter: Wenn die Pfleglinge nachts Schmerzen hatten oder Hunger, musste Kellerer aufstehen. „Es dauert aber meist nur eine Woche, dann kommen die Fledermäuse in meinen Keller in eine Schachtel zum Überwintern und wachen erst im Frühling wieder auf.“ Dann werden sie wieder in die Freiheit entlassen. Kellerer schwärmt von ihren Schützlingen: „Fledermäuse sind überhaupt nicht aggressiv und jede hat ihren eigenen Charakter, manche sind richtige Draufgänger, andere eher Kuschler und werden in der Zeit der Krankheit sogar richtig zutraulich.“


Die meisten Fledermäuse, die bei der Ingolstädterin während der Sommermonate ankommen, sind Katzenfänge. „Wenn eine Fledermaus mit vier bis zehn Gramm mit einer Katze, die etwa zehn Kilo wiegt, Bekanntschaft macht, dann zieht sie eindeutig den Kürzeren.“ Viele bezahlen die Begegnung mit dem Leben, nur ein Bruchteil kann gerettet werden. Die Hauskatze ist damit ein großes Problem für die Fledermauspopulation, die sich in den letzten Jahren bei den allermeisten Arten wieder gut erholt hat. „An manchen Jagdgebieten sammeln sich die Hauskatzen in den Wiesen am Abend und warten aufgeregt, bis die Fledermäuse tief über die Wiese fliegen“, hat Kellerer beobachtet. Die Katzen wissen nicht, dass sie eigentlich gar keine Maus fangen, denn streng genommen sind die Fledermäuse keine Mäuse, da sie keine Nager, sondern Fledertiere sind.

Eine Langohrfledermaus überwintert in einem geschützten Mauerspalt. Foto: Guido Gerding

Gefahren lauern für die Tiere viele. Die allermeisten verursacht der Mensch. Zum Überwintern finden die Tiere immer weniger geeignete Plätze durch Abholzung von alten Baumbeständen, Abriss oder Sanierung von Gebäuden. Die Fledermäuse brauchen im Winter ruhige, frostfreie, geschützte Orte mit Ritzen und Spalten, in die sie sich verziehen und von November bis März durchschlafen können, um ihre Energiereserven zu sparen. Solche Plätze findet die Maus immer seltener und wenn, dann ist die Gefahr, gestört zu werden, groß. „Wenn der Schlaf einmal im Winter gestört wird, ist das für den Energieverbrauch der Fledermaus nicht weiter schlimm“, informiert Andreas Zahn, hauptamtlicher Fledermausberater der Koordinierungsstelle für Fledermausschutz Südbayern. „Im Altmühltal in den Höhlen verzeichnen wir zunehmend mehr Störungen auch im Winter, durch die moderne Freizeitnutzung wie das Geocaching“, so Zahn: „Höhlen sind im Winter unbedingt in Ruhe zu lassen, sonst schwinden die Energiereserven der Tiere bedenklich, wenn sie ständig aufwachen.“ 
Der große Abendsegler ist der Frühaufsteher unter den Fledermäusen und kommt schon in den frühen Abendstunden zum jagen aus seinem Quartier.

Die Region ist für die in Bayern etwa 23 heimischen Fledermausarten, weltweit gibt es zirka 900, ein guter Lebensraum. Besonders Abendsegler, Zwergfledermaus, Mücken- oder die Wasserfledermaus fühlen sich an den Flüssen und den Donauauen wohl. Die Fransenfledermaus wird häufig in Kuhställen gesichtet, wenn sie nachts Insekten direkt von der Decke pickt. Bedeutende Mausohrkolonien gibt es in Kirchtürmen im Altmühltal. Die dortigen Hangwälder sind attraktive Jagdgebiete für die Mäuse.
Die Rauhautfledermaus ist eine der Arten, die auch gerne in Bayern überwintert, nämlich am liebsten in Holzstapeln. Sonst haben die Forscher festgestellt, wird die Region von Fledermäusen aus den nordöstlichen Bundesländern im Sommer gerne als Jagdgebiet aufgesucht. Sie legen oft mehrere 1.000 Kilometer zurück, um nach Bayern zu kommen und sich dort in den insektenreichen Auen und Trockenrasengebieten im Altmühltal ihren Winterspeck anzufressen. „Im Sommer sind auch fast nur Männchen bei uns und es gibt kaum Fortpflanzung“, erklärt der Fledermausexperte. Sogenannte Wochenstuben, Quartiere, in denen die Weibchen allein ihre Jungen gemeinsam mit anderen aufziehen, wurden in der Region noch nicht gefunden. „Warum das so ist, gehört zu den Geheimnissen, die die Forschung noch lösen muss. Im Moment fehlt allerdings noch ein Sender, der leicht genug für die Fledermaus wäre, um sie auf langen Strecken zu verfolgen“, bemerkt der Biologe.
Abgesehen von der Wanderungsaktivität ist der Rest des Lebens der Fledertiere gut erforscht. Bis zu 30 Jahre alt kann ein Tier werden. Die meisten Fledermausarten leben in Gruppen und sind gute Netzwerker. Ihre Soziallaute, sehr hohe Knattertöne, mit denen sie sich auch beim Jagen untereinander verständigen, können teilweise sogar vom menschlichen Ohr wahrgenommen werden. Langzeit- und Verwandschaftsbeziehungen werden regelmäßig gepflegt. Forscher beobachteten, dass  Fledermäuse öfter ihre Nasen aneinander reiben. Der Schluss liegt nahe: Wer sich riechen kann, der bleibt zusammen. Gemeinsam schwärmt die Gruppe abends zur Jagd aus und sammelt sich wieder, um gemeinsam in das Quartier zurückzufliegen. Eines dieser großen Quartiere mit Tieren verschiedener Arten befindet sich am Staudamm in Ingolstadt. Dort haben die Fleder­mausschützer Kästen angebracht, die die Fledermäuse gerne angenommen haben.

Bei der Jagd orientieren sich die kleinen Flieger mittels Echoortung. Durch Mund und Nase werden Ultraschalllaute ausgestoßen und so Distanz, Richtung, Größe, Form und Struktur des Objekts analysiert. Sie können mit dem Echo nicht nur Hindernisse erkennen, sondern auch, ob es sich bei dem Insekt um ein besonders schmackhaftes handelt. Bis zu 20 Kilometer legen die Tiere auf ihrer Jagd zurück und sammeln an guten Tagen Mengen von etwa einem Drittel ihres Körpergewichts, also bis zu zehn Gramm pro Tier. Interessant ist auch wie das Beutetier letztlich in den Mund der Maus kommt. Der Fang direkt in die Speiseröhre gelingt höchst selten. Meist hört das Insekt den Jäger und lässt sich fallen. Die Fledermaus bemerkt das ebenfalls und fängt den Leckerbissen meist mit den Flügeln und der Schwanzflughaut auf und schnippt ihn in den Mund. Einige Arten sammeln auch Insekten von Blättern ab.

Die Lieblingsspeise der Fledermäuse sind im Übrigen Nachtfalter und nicht Blut. Lediglich die Unterart der Vampirfledermäuse saugt Blut. Sie kommen allerdings nur in Teilen der USA und Südamerikas vor. Dass sie Menschen angefallen haben, wird sehr selten berichtet, ihre Zielgruppe sind vorzugsweise Haus- und Nutztiere. „Von anfallen kann man auch nicht sprechen, die Tiere sind nicht besonders groß: Stellen Sie sich einen Goldhamster mit Flügeln vor“, so Zahn. 


Obwohl die Fledermaus gut sieht und die besondere Fähigkeit der Orientierung mittels Echo hat, fällt sie immer wieder dem Straßenverkehr und Windrädern zum Opfer. Das Echo ist stark nach vorne gerichtet so werden von oben oder unten kommende Rotorenblätter zu spät wahrgenommen, oft kommen die Tiere schon allein durch das Vorbeifliegen aufgrund der Druckunterschiede zu Tode. „Ihnen zerplatzen einfach die Lungen,“ meint Andreas Zahn. Höherfliegende Arten wie der Abendsegler kommen auf diese Weise häufig zu Tode. Durch ihren besonderen Schutz, müssen Windradbetreiber allerdings mit Einschränkungen leben, wenn Fledermäuse in der Nähe siedeln. Bei wenig Wind fliegen die Tiere häufiger und das Windrad wird durch einen Abschaltalgorithmus außer Gefecht gesetzt oder darf an der betreffenden Stelle erst gar nicht gebaut werden.
Auf Windschutzscheiben landen die Tiere auch häufig, weil sie schnelle Objekte auch nicht rechtzeitig erfassen können. „Hier arbeiten wir zum Schutz der Tiere mit Umleitungen über Grünbrücken, Unterführungen, Hecken als Überflugsrampen“, erklärt der Fledermausbeauftragte. Baumreihen leiten die Fledertiere zu der sicheren Querungsmöglichkeit.

Kirchgänger: Bedeutende Kolonien von Mausohren gibt es in Kirchen im Altmühltal. Foto: Mnolf

Besonderen Schutz brauchen Weibchen während der Aufzucht ihrer Jungen. Nach einer Tragezeit, je nach Nahrungsangebot, von 40 bis 70 Tagen, bringen die Weibchen in den Wochenstuben ein nacktes und blindes Etwas zur Welt. Eine drei Tage alte Zwergfledermaus, die kleinste Art, ist nur gut einen Zentimeter groß. Von den mütterlichen Flügeln wird das Kleine die ersten Tage zugedeckt, bald bleibt es alleine im Quartier zurück und wird regelmäßig gesäugt. Nach drei bis vier Wochen kann der Nachwuchs fliegen und muss selbstständig jagen gehen und wird dann zu ebenso guten Insektenvertilgern, auf ihrer Speisekarten stehen auch die lästigen Steckmücken.
„Mittlerweile finden viele Leute es als sehr erfreulich, wenn sie eine Fledermaus sehen“, meint Kerstin Kellerer und ist froh, dass das Interesse wächst. Vielfältige, strukturreiche Jagdgebiete locken die Fledertiere an. Um zu bleiben, brauchen sie auch die passenden Quartiere. 


Wer eine verletzte oder vom Winterschlaf hochgeschreckte Fledermaus findet sollte das Tier keines Falls ohne Handschuhe anfassen. In Bayern wurde zwar noch kein Fall der Fledermaus-Tollwut festgestellt, aber größere Arten wie der Abendsegler kommen durch die menschliche Haut mit ihren Zähnen durch und könnten, wie jedes Wildtier, Krankheiten übertragen und wenn die Maus Gefahr wittert, dann schnappt sie schon einmal. Bei Problemen oder Fragen hilft die Koordinierungsstelle für Fledermausschutz Südbayern unter der Nummer 08638/86117.





Bauen im Einklang mit dem Artenschutz: 

Eine Broschüre der Stadt Ingolstadt informiert darüber, wie Gebäude auch attraktiv für Arten wie die Fledermaus werden. (Baumaßnahmen und Artenschutz im Einklang, http://www2.ingolstadt.de/media/custom/465_8474_1.PDF?1362730627)


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