Freitag, 25. November 2011

Gute Nacht, sagt der Fuchs zum Has'

Wieder was gelernt, bei einem geschäftlichen Ausflug nach Dollnstein. Im Altmühltal hängt im Herbst oft tagelang der Nebel. Erhellende Erkenntnis! Nein, das wars  nicht, was ich gelernt hab. Viel mehr habe ich die Mitmenschlichkeit der Bewohner am eigenen Leib zu spüren bekommen und was es heißt auf dem Land kennt jeder jeden.

Auf dem Weg nach Dollnstein, kurvige Straßen führen um die Felsen, kein Mensch kommt mir entgegen, ein Rabe am Straßenrand blickt meinem Fahrzeug verwundert nach ohne sich einen Zentimeter zu bewegen. Nebel hängt über den Wäldern und seit Rebdorf habe ich kein einziges Auto mehr gesehen. Etwa alle acht Kilometer durchfahre ich ein kleines Dorf, dass ein Ortschild nicht wert ist, aber eine Kirche besitzt. Ich sehe keine Menschenseele auf der Straße an diesem nebligen Novembernachmittag. In Eichstätt stand 15 Kilometer bis Dollnstein, von den anderen Dörfern war nichts geschrieben. Habe ich mich verfahren? Aber wo zum Teufel bin ich dann falsch abgebogen. Es gab keine andere Wahl. Weiterfahren. Lange Zeit nichts außer Nebel, dunstiges Grün und die Altmühl wie sie sich durch das Tal schlängelt.Wenigstens ist sie da, ein kleiner Anhaltspunkt. Ich kann nicht falsch sein.   Ein Kilometer muss im Altmühltal mindestens doppelt so weit sein als anderswo.  Die Schwaden werden dichter, es wird düster, es war düster.


Endlich, Dollnstein. So klein? Da lässt sich die Dorfstraße leicht finden. Eigentlich müsste das schon die Dorfstraße sein. Eigentlich. Nein. Auch die nächste war es nicht, die dritte und letzte größere Straße auch nicht. Ich halte Ausschau und entdecke Leben. Eine Frau kehrt gerade die Eingangstreppen. Dorfstraße, den Namen habe sie hier noch nie gehört. Aber ihr wäre mehr geholfen, wenn ich ihr sage zu wem ich wolle. Zu Wölkel*. Ah, der ist in Breitenfurt. Da gäbe es einen Wölkel. Breitenfurt war das Dorf vorher. Wieder drei Kilometer zurück. Drei Kilometer sind im Altmühltal mindestens doppelt so weit als anderswo.


Breitenfurt ist noch kleiner als Dollnstein. In einem Garten hat sich etwas bewegt. Ich springe sofort aus dem Auto und halte die Frau auf, bevor sie in der Haustür verschwindet. Sie freut sich ein neues Gesicht zu sehen. Ich frage wieder nach der Dorfstraße und erhalte promt als Antwort eine Gegenfrage: "Zu wem wollen'S denn?". Zu Wölkel. "Ah, des is der Stoanabutza. Der is in Obereichstätt, des gehört auch zu Dollnstein, da müssens wieder zurück."


10 Kilometer später in Obereichstätt. Ich war nun knapp dran und sehe gerade zwei Herren, die sich auf der Straße unterhalten und mir schon von Weitem neugierig entgegen blinseln. "Ich möchte zu Wölkel". Langsam lerne ich, wie die Leute mich hier verstehen. Wie aus der Pistole geschossen kommt die Wegbeschreibung. Obereichstätt zieht sich lange an der Felswand entlang, die Männer stehen genau am anderen Ende, können aber exakt sagen, das wievielte Haus es von hier aus ist. Erstaunlich.


Angekommen bei Wölkl. Er ist ein Präparator aus Italien. 

A Zuagroaster. Ich frage, ob er viele hier kennt. Er sei viel mit seinen Fossilien beschäftigt, eigentlich nicht.

Ich habe gelernt: Im Altmühltal braucht es keine Straßennamen. Man kennt sogar zugezogenen Italiener im Umkreis von 15 Kilometern und das ein einziges Dorf kleiner sein kann als seine in Kilometern Entfernung verstreut liegenden Ortsteile. Sie kennen sich trotzdem alle, auch wenn sie sich nie gesehen und nie selbst miteinander gesprochen haben. Hier kann man nicht einmal unbemerkt sterben.

*Name geändert, aber im Altmühltal weiß eh jeder wer damit gemeint ist.

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