Samstag, 4. Juni 2011

Eine Reise nach Absurdistan

75 Rentner und  die unbändige Vorfreude und geteilte Mitmenschlichkeit der Adventszeit machen sich auf dem Parkplatz breit. Ich versuche meine Mission zu erfüllen und noch bevor die Busse kommen Ordnung in den Haufen Orientierungsloser zu bringen. Damit auch tatsächlich alle auf dem Kloster-Weihnachtsmarkt in den Alpen ihren Spaß haben. Was nicht ganz so einfach war, wegen der betont mitmenschlichen Art und etwas kurzen Aufmerksamkeitspannen…

Vor der Abfahrt:
Ich: Ihren Namen bitte, damit ich die Anwesenheit prüfen kann.
Fahrgast: Jetzt warten´s, meine Buchungsbestätigung find ich grad net.
Ich: Sagen´s mir einfach ihren Namen und ich hak‘ sie auf der Liste ab.
Fahrgast: Mei, wo hab ich denn die Buchungsbestätigung.
Ich: Ich brauch keine Buchungsbestätigung, sondern lediglich ihren Namen.
Fahrgast: Achso, ja warum sagen´s denn des erst jetzt. Franz komm, das Fräulein möchte unsern Namen wissen.
Franz: Wieso? San se vo da Polizei? Hahahaha…
Ich (genervt lächelnd): Hähähäha. Nein aber ihre Reiseleitung. Ihren Namen jetzt bitte, die anderen müssen auch noch aufgenommen werden.
Franz (langsam patzig werdend): Sie jetzt a mal langsam, es muss net jeder unsern Namen wissen. Was soll des G‘schieß eigentlich, warum fahrn ma jetzt net endlich.
Ich: Weil ich prüfen muss ob alle da sind, die gezahlt haben. Außerdem bin ich nicht jeder, sondern ihre Reiseleitung.
Franz: So a Schmarrn, wir san doch alle pünktliche und ehrliche Leut. (In die Runde zeigend)
Ich: Wir haben in der Vergangenheit andere Erfahrungen gemacht. Bitte jetzt ihren Namen, den wissen sie doch, oder?
Dem Franz seine Frau: Jetzt Fräulein werden´s bloß net frech, als ob mein Mann unsern Namen net wüsst (kopfschüttelnd, bestürzt dreinschauend nach Beifall suchend)
Dame dahintge: Mei, de junga Leid, no nix gearbeitet in eanam Leben aber wichtig doa.
Dem Franz seine Frau: Gell, sang sie a. Wir ham scho so vui gleistet und san no lang net so g‘schaftig wia de do. (Abwertend in meine Richtung zeigend)
Ich: Sie können gerne wieder heimfahren. Wenn sie mir ihren Namen nicht sagen, kann ich sie sowieso nicht mitfahren lassen. Egal, ob sie ehrlich ausschaun und überpünktlich waren.
Da Franz: Ah so a Frechheit, wia de mit uns red, a Sauerei.
Ich: Auf ihrer Buchungsbestätigung steht auch ihr Name, am Telefon melden sie sich auch mit ihrem Namen, wo ist jetzt des Problem.
Dem Franz seine Frau: Mei, da is sie ja. (Buchungsbestätigung in meine Richtung haltend)
Ich: Warum haben Sie jetzt nicht sagen können, dass sie auf den exotischen Namen Huber hören und zu zweit hier anwesend sind?

Weiter geht’s:
Ich: Ihren Namen bitte, damit ich sie abhaken kann.
Fahrgast: Meier, vier Mal. Sie warten´s mal. Wie is des jetzt eigentlich, ich hätt' gern noch an Platz vorne, ham wir keine reservierten Plätze?
Ich: Nein
Fahrgast: Des is ja furchtbar, wenn der Bus kommt, dann prügeln sich die Leut um an Sitzplatz.
Ich: Glaub ich nicht. Sie sie können doch mit den Leuten reden und das ausmachen wie zivilisierte Menschen.
Fahrgast: Ich schon, aber die anderen nicht.
Ich: Wenn sie so fragen, hab ich eher den Verdacht sie schließen da von sich auf andere.
Fahrgast: Wie bitte, ich hab sie nicht verstanden.
Ich: Na, passt scho. WIR HABEN KEINE RESERVIERUNGEN.
Fahrgast: Jetzt schrein´s doch net so. Aber wie ist dann sichergestellt, dass ich auch bei der Heimreise wieder denselben Platz krieg.
Ich: Wir sind jetzt noch nicht einmal auf der Hinreise. Außerdem neue Fahrt neues Glück, vielleicht sind sie ja froh einen anderen Platz zu bekommen.
Fahrgast: Des is ja wie im Kindergarten.
Ich: Sie sind doch alle erwachsen, daher bräuchten sie eigentlich niemanden der ihnen einen Platz zuweist.
Bus kommt, Fahrgast fährt die Ellenbogen aus. Wie erwartet, einer der schlimmsten Sorte.
Busfahrer (lächelt milde, mit stoischer Gelassenheit): Mädl, jetzt wart, de beruhigen sich scho wieder, wenn´s Wetter scheiße is, dann kannst eh nix machen. Dann kannst so gut sei wie´st willst, de Leit san grantig.
Ich: Schon bemerkt.


Zwei Namen sind noch nicht auf meiner Liste abgehakt, um 10 Uhr wäre Abfahrt. Wir haben noch zwei Minuten, also schnell noch eine Durchsage durchs Mikro: „Heißt hier jemand Schmidt oder Hubermeier?“ Alle schauen, fragend um sich, keiner will so heißen.
Auf in den zweiten Bus, gleiches Spiel. Wieder will niemand so heißten. Sie sind offensichtlich noch nicht da. Wir müssen warten. Die ersten werden schon nervös.



Wieder der Franz (Tippt mich penetrant, fast schon schmerzhaft auf die Schulter): Sie Fräulein, es is scho zwei Minuten nach zehn auf meiner Uhr.
Ich: Ich weiß. (Nochmal durch den Bus gehend und die Namen Schmidt und Hubermeier rufend…Nichts)
Praktikantin aus dem anderen Bus kommt mit ähnlichen Ergebnissen an. Ich zücke das Handy und rufe die angegebenen Nummern an. Da klingelt ein Handy im Bus und eine Frau Schmidt meldet sich am Telefon, neben ihr sitzend die Frau Hubermeier.
Frau Schmidt: Aber, ich bin doch schon längst im Bus.
Ich: Warum haben sie sich nicht gemeldet.
Frau Schmidt: Ich hab nix g´hört.

Gut, haken wir sie ab und fahren endlich los. Kurze Begrüßung durchs Mikro, mit den Angaben wie es nach der Ankunft weitergeht, damit auch jeder weiß wo er hin muss…


Wenige Minuten vor der Ankunft:
Murmeln hinter mir: Vier Kilometer, gleich sind wir da. Hast des Schild g‘sehn, vier Kilometer, vier Kilometer, gleich sind wir da. Endlich….
Fast alle stehen nun auf. Aufbruchstimmung herrscht.
Ich durchs Mikro: „Bitte setzen Sie sich nochmal hin, wir fahren noch einen Bergpass hinauf, das dauert ca. eine viertel Stunde.“
Raunen in der Menge: „Ah Schmarrn, a viertel Stunde für vier Kilometer, nie.“ „Was so lang?“ „ Ah, des is ja nimmer lang, de stell i mi glei an Ausgang, das i endlich zum Essen kum.“


Ankunft vor dem Restaurant. Eigentlich sollte der Chef auf mich warten und das Programm, sowie die Eintrittskarten für die Veranstaltung verteilen. Kein Chef weit und breit, obwohl er mich kurz vorher angerufen hat und mit der Anweisung, wir sollten mit den Fahrgästen noch im Bus warten bis er mir die Karten überreicht hat. 
Leider hatte die Praktikantin im Bus vor mir ein dringendes Bedürfnis und vergaß alle Anweisungen des Chefs. Die Fahrgäste stolpern nun schon in das Restaurant. Ich springe aus dem Bus. Die anderen Fahrgäste werden unruhig, weil ihnen sogleich wieder die Bustüren vor die Nase geschoben wurden: „Hey, wir wollen auch raus!“ „Sie, Hallo, wir sind doch scho da!“
Ich rutsche auf Glatteis zum ersten Bus: „Wo ist die Sophia????“
Busfahrer: Die is auf´s Klo.


Ich: So ein D… aber auch (Rutsche in´s Restaurant). Hallo! Haben Sie die Eintrittskarten und das Programm?
Angestellter: Aber, das hab ich doch grad ihrer Kollegin gegeben. Ist die nicht mehr da??? Aber warten´s da aufm Zigarettenautomat liegt was.
Tatsächlich eine ganze Kiste Eintrittskarten und Programme, also „bares Geld“, laut Chef, einfach so zurückgelassen.
Mittlerweile stehen die ersten Gäste schon fragend und hilflos im Restaurant. Wussten ja nach zwei Mikrodurchsagen und zweimal durch den Bus gehen und Fragen beantworten noch immer nicht, dass sie gleich nach der Ankunft ein Essen erhalten und in den Genuss einer Bierprobe kommen.
Der zweite Bus erhält gleich seine Karten, während die Reisegäste des ersten gerade von den Angestellten untergebracht wurden. Noch immer stehen einige davon in der Empfangshalle, als ich ankam stürzen sie sich auf mich: Fräulein, wir haben noch keinen Sitzplatz!
Ich: Da müssen wir jemanden vom Restaurant fragen.
Fahrgäste: Sind sie net vom Restaurant?
Ich: Nein, ich bin ihre Reisebegleitung?
Dann kommen die nächsten aus dem Speisesaal, entsetzt, weil sie bemerkt haben, dass die anderen bereits Karten und Programm besitzen, nur sie nicht. Ich konnte alle recht schnell zufriedenstellen. Seelig wandern sie wieder zu ihren Plätzen zurück und vertiefen sich in das Programm: Oh, um 14 Uhr kommt Carolin Reiber in die Klosterbasilika.

17:45. Wir sollten uns alle wieder am Bus treffen. 17:30, komme zurück an den Bus, die ganze Meute, aber wirklich die Ganze, außer die Praktikantin, wartet schon auf mich. Wieder Anwesenheit prüfen, damit ja keiner gezwungen wird ins Kloster zu gehen.

Ich: Ihren Namen, bitte.
Fahrgast: Für was brauchen Sie den jetzt schon wieder?
Ich: Damit ich weiß, wie viele ins Kloster gehen.
Fahrgast: Achso, mei Frau kommt nimma, de bleibt bei de Pater, passt scho. Meier fahrt nur einer zurück. Hahahaha.
Ich: Dann sind sie schuld, wenn uns ihre Frau verklagt, weil wir sie nicht mehr mitgenommen haben.
Fahrgast: Mia egal, i hab dann a schön´s Leben.
Frau kommt. Ich hake den Fall Meier ab und lasse Herrn Meier mit den Trümmern seiner Träume zurück.
Ich: Ihren Namen, bitte.
Fahrgast: Mei moanst des macht Sinn, da alle durchzugehen, frag doch einfach, ob alle da san, dann san ma eher fertig.
Ich: Erstens, für Dich immer noch Sie. Zweitens, ich bin fertig, wenn auf meiner Liste alle Namen abgehakt sind. Das erledigt sich nicht mit der Frage, ob alle das sind.
Fahrgast: Jetz werd net frech, Deandl, sonst fahr i nimma mit.
Ich (murmelnd): Mir soll´s recht sein.


So, alle abgehakt, auch wenn es wieder das gleiche Spiel war wie bei der Hinfahrt („Wie?, Ich hab nix ghört“), Türe zu, ruhige Rückfahrt.


Dem Franz seine Frau beim Aussteigen: Mei, daheim is doch am Schönsten.


Zur Erklärung: Der bayerische Dialekt weicht ab und an von der hochdeutschen Grammatik ab, weil „mia san mia“. „Dem Franz seine Frau“ ist das Partnerschaftsdativ im Bayerischen, daher bitte nicht als Fehler kennzeichnen.

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