Täglich grüßt den Philosophiestudenten das Murmeltier
Das Sein,
die eigene Existenz, erstes Grundproblem der Philosophie. Wie kann etwas sein
und warum ist überhaupt etwas, ist tatsächlich etwas Seiend oder scheint es nur
zu sein? Sein ist der erste Grundbegriff und der, über den viele
Schulphilosophen ihr ganzes Leben lang nicht hinauskommen. Die Diskussion
darüber meist abstrakt.
Das
universelle Sein ist nicht leicht fassbar. Für Außenstehende ist es deshalb
unfassbar, wie man sich Jahrzehnte, ja ein ganzes Leben lang mit nur einem sehr
abstrakten Thema beschäftigen kann, auf Symposien abgeschottet von der realen
Außenwelt sich über das Sein streitet, ob es solches überhaupt gibt und was die
erste Ursache des Seins ist, während Milliarden Menschen gut leben ohne sich
darüber jemals Gedanken gemacht zu haben. Es sind nicht nur ergraute Herren,
deren Lebensinhalt dieses kryptische Sprachengewirr ist. Es sind nicht nur
Philosophieprofessoren, die sich dem hingeben.
Philosophische
Begriffswichserei ist in allen Generationen und Lebensbereichen zuhause. Dem
Denken schadet es nicht, bis zu den letzten Fragen des Universums vorzustoßen,
sich die Grundprobleme unserer Existenz vor Augen zu führen und daran auch mal
zu verzweifeln, ob man nun jetzt überhaupt noch zu irgendwelchen Schlüssen
kommen kann, wo doch seit Jahrtausenden viele intelligenten Herren sich schon
die Zähne an diesen Problemen ausbeißen und ja, sich immer im Kreis drehen,
immer die gleichen Argumente nachplappern, von denen sie glauben, es seien ihre
eigenen. In der Schulphilosophie kommt man sich manchmal vor als ruft einem
jeder Tag aufs Neue zu: „Guten Morgen! Murmeltiertag!“
Es geht also
darum endlich aufzuwachen. Raus aus dem Elfenbeinturm! Wie es schon Wilhelm
Weischedel mit seiner „Philosophischen Hintertreppe“ getan hat. Liebe
Philosophieprofessoren dieser Welt, keine Angst, es wird deshalb nicht gleich
ein Belletristikautor wie Richard David Precht aus euch. Ihr seit deshalb nicht
gleich oberflächlich! Das wäre ja das schlimmste für euch. Oberflächlichkeit
ist in unserer schnelllebigen, ökonomisierten Gesellschaft weit verbreitet.
Darum muss euer Philosophieren keinen Nutzen haben. Es hat beinahe etwas
Revolutionäres sich über die Existenz der Zeit zu streiten während andere
Teilchenbeschleuniger bauen. Nur leider erfährt von eurer Revolution kein
Mensch.
Der Vater
der Philosophie, Sokrates, der mit einfachen Menschen auf der Straße
philosophiert, sogar mit Sklaven. Die Philosophie danach wurde immer mehr zu
einem avantgardistischen Zeitvertreib. Im Zeitalter der Technik wurde die
Philosophie von der Mathematik als Mutter der Wissenschaft vertrieben, bis in
die Bedeutungslosigkeit. So manchem Elfenbeinturmbesetzte ist das nur recht,
hat er doch etwas, dass nur er und wenige eingeschworene Verstehen oder
verstehen wollen und doch die Grundlage von allem sei. Das verstehen, seiner
Meinung nach, eben nur wenig. Es verstehen nur wenige, weil er es ihnen nicht
verständlich erklären kann oder will. Das letzte das den Philosophen in den
letzten Jahrzehnten blieb war ihre Begriffswichserei. Das Worte klauben
rechtfertigte ihre Existenz und bestätigte ihnen ihr eigenes Sein. Seit
Philosophen wie Weischedel und erst recht solche wie Precht den Weg vom Turm
zum einfachen Volk eingeschlagen haben und die Philosophie in der Gesellschaft
eine Renaissance feiert, wird es gefährlich für den Elfenbeinturm. Die
Philosophie wird demokratisiert und die Herren haben Angst um ihren Platz in
der Welt. Sie haben Angst, dass Unbedarfte plötzlich verstehen und zu zweifeln
beginnen, mitreden wollen und ihr Wissenschaft in der Trivialität aufgeht.
Staunen ist
der Ausgangspunkt der Philosophie. Staunen haben die Begriffswichser verlernt,
weil sie schon Wissen. Dabei ist, dass wir Nichts Wissen das Einzige, das wir
letztlich, wie schon Sokrates definiert hat, Wissen können. Deshalb liebe
Herren, raus aus dem Elfenbeinturm, reibt euch die Augen und staunt erst einmal
wieder nach Herzenslust. Für Begriffsdefinitionen habt ihr anschließend noch
genug Zeit.
Philosophie zum Staunen
Als Lektüre
für alle die Staunen wieder lernen wollen und Philosophie nicht für einen
avantgardistischen Zeitvertreib halten, denen seien hier die Werke von Thomas
Cathcart und Daniel Klein empfohlen. Philosophisch sehr interessant sind auch
die Bücher von Janne Teller, Janoschs Geschichten für Kinder, José Saramago und
natürlich der Klassiker „Der kleine Prinz“ von Antoine de Saint-Exupéry.
Philosophie, ganz ohne Begriffswichserei.
Die philosophische Hintertreppe? (Universität Zürich) |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen