Sonntag, 14. April 2013

Eine Ode an den ÖPNV

Zu schade, dass es für Leute in meinem Alter nicht mehr die Möglichkeit gibt per Interrail durch die Lande zu ziehen. Ganz besonders beim Bahnfahren erlebt man Dinge, die wären einem sonst verwehrt geblieben. Zugpendler bin ich nun auch nicht mehr, also muss ich meine mikrosoziologischen Feldstudien wo anders machen. Aber hin und da zieht es mit mal wieder in Bus und Bahn. Da erfährt man die intimsten Details aus dem Privatleben anderer Leute, nur weil die glauben, dass wenn sie am Handy mit jemandem anderen telefonieren kein anderer mithört. "Ja, Schatz, heut wirds Lustig. Ich hab Prosecco dabei und mein Ex kommt auch noch. Den findest Du doch so heißt, oder? Wie wollen wir anfangen?"

In der Münchner U-Bahn wird man oft bestens unterhalten, von Leuten die aus mindestens zwei Persönlichkeiten bestehen und den ganzen Tag scheinbar nichts anderes tun als U-Bahn zu fahren. In der Zürcher Trambahn habe ich sogar einmal eine Frau getroffen, die war umringt von weiteren imaginären Persönlichkeiten: einer hinten, einer links, einer rechts und einer schien sogar unter ihr zu sein oder war das ihr wahres Ich? Man lernt viel über Psychologie in öffentlichen Verkehrsmitteln. In Wien etwa, dass Busfahrer nichts von Small Talk halten und die Frage: "Fährt der Bus nach Simmering?" nicht als Anlass sehen dem völlig verirrten Menschen vor ihnen ein wenig Sicherheit im Wirrwarr der fußgängerunfreundlichen Wiener Industriegebiete zu geben und einfach mal "Ja, steigen sie nur ein ich bringe sie hin" zu sagen, sondern nur ein "steht doch drauf" knurren.

Man erfährt vieles über die Feinheiten der regionalen Unterschiede: Im Zug Richtung Stuttgart lernt man an jeder Haltestelle ein paar neue schwäbische Worte und sieht wann der Biergenuss, eher in Weinbegeisterung übergeht. Hanoi, wois au ned wia dös geht? Die Dörfer im Donauschwäbischen sind schon sehr speziell. "Wollens nach Stuagard, da müssens aber no weit fahra". Naja, noch 20 Kilometer, aber egal. "Ma wois ja a neda ob da Bahnhof no steht, hahahaha". "Hahahaha", ja um manche Gespräche bittet man nicht, aber man ist danach immer eine Erfahrung reicher. Eine, die man mit dem Auto möglicherweise nicht gemacht hätte.

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